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Wolfgang Sofsky
„Schellenkleid des Nichts“
Der schwärzeste Text der deutschen Romantik sind August Klingemanns 1804 erschienene „Nachtwachen“ von Bonaventura. Der verstoßene Nachtwächter Kreuzgang (!) zieht allabendlich durch die dunklen Gassen und ruft den schlafenden oder wachenden Einwohnern die Stunde. Wohin aber der Nachtwächter unter seinen vielen Masken – als Freigeist, Poet, Hamlet, Hanswurst, Alchimist – auch blickt: er erblickt nur Masken des Nichts. Mit trostreichen, pastoralen oder pastorensohnmäßigen Wendungen ins Affirmative hat Kreuzgang nichts mehr im Sinn:
„Der Totenkopf fehlt nie hinter der liebäugelnden Larve, und das Leben ist nur das Schellenkleid das das Nichts umgehängt hat, um damit zu klingen und es zuletzt grimmig zu zerreißen und von sich selbst zu schleudern. Es ist alles Nichts und würgt sich selbst auf und schlingt sich gierig hinunter, und eben dieses Selbstverschlingen ist die tückische Spiegelfechterei als gäbe es Etwas, da doch wenn das Würgen einmal innehalten wollte eben das Nichts recht deutlich zur Erscheinung käme, daß sie davor erschrecken müßten; Toren verstehen unter diesem Innehalten der Ewigkeit, es ist aber das eigentliche Nichts und der absolute Tod, da das Leben im Gegenteile nur durch ein fortlaufendes Sterben entsteht.“ (Bonaventura, Nachtwachen; Achte Nachtwache)
© WS 2016