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Wolfgang Sofsky
Klimaproteste
In den letzten Wochen und Monaten hat in den Schulen einiger westlicher Länder eine neue Mode um sich gegriffen. Viele Schüler gehen freitags während der morgendlichen Schulpflichtzeit auf die Straße, um für das Klima, gegen den Klimawandel, für die Zukunft und gegen die vermeintliche Trägheit der Eltern- und Großelterngeneration sowie gegen die üblichen Verdächtigen, die Autoindustrie, die Stromindustrie, die Chemieindustrie, die ausgewiesenen Klimawandelzweifler und Klimawandelleugner sowie die heimlichen und daher unbekannten Klimawandelprofiteure zu protestieren. Mittlerweile haben sich diesem Protest viele junggebliebene Wissenschaftler, Professoren, Lehrer, Politiker und weitere sachkundige Verdächtige angeschlossen. Eine Anführerin des Protestes, eine schwedische Schülerin, wurde mittlerweile für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, den vor ihr auch bereits B.Obama, die Europäische Union, Al Gore, die Internationale Atomenergieorganisation, Jimmy Carter, die UNO, Jassir Arafat, Mutter Teresa, Henry Kissinger und Theodore Roosevelt erhalten haben. Der Ausfall an Schullernzeit mit den damit verbundenen Wissenslücken wird durch korrekte Haltungsnoten bei weitem kompensiert, so daß für die Abiturnoten, die ohnehin flächendeckend gegen 1.0 zu streben scheinen, nichts zu befürchten ist. Diese „grüne“ Schüler“bewegung“ trifft allgemein auf Wohlwollen, handelt es sich doch um künftige Wähler, insbesondere jener Partei, mit der mittlerweile fast jede andere Partei unbedingt zu koalieren wünscht. Daß sich infolge der Proteste die Klimawandelschutzpolitik wesentlich ändern wird, ist unwahrscheinlich, vom Klima selbst gar nicht reden. Trotz aller Propaganda: die offiziellen Erwärmungsgrenzwerte sind längst Makulatur, es wird in manchen Regionen wärmer als prognostiziert, andere Regionen werden früher oder später überflutet, wieder andere trocknen aus. Ob der point of no return bereits passiert wurde oder übermorgen, bzw. in ein, zwei Jahren erreicht sein wird, ist unter den Fachleuten umstritten. Manche denken, es sei fünf vor zwölf, andere meinen, es sei fünf nach zwölf. Wäre letzteres der Fall, verlöre die aktuelle Bewegung jedoch ihren attentistischen Elan. Sie muß so tun, als könnte sie das Klima tatsächlich beeinflussen, eine besonders in Deutschland beliebte Meinung, von wo aus man schon immer die Welt retten, reformieren oder erobern wollte. Wie immer: Der homo sapiens wird das tun, was er schon immer getan hat. Er wird sich Generation für Generation mit wechselndem Erfolg den klimatischen und historischen Umständen anzupassen haben, ein Vorgang, der weder planbar noch berechenbar ist, der Sieger und Verlierer hervorbringt, Gewinne einbringt und Verluste kostet, etc. Ein kurzer Besuch in den ausgefallenen Geschichtsstunden würde jeden Lehrer und Schüler darüber belehren, daß die Geschichte der Spezies, Generation für Generation, massive Einbrüche, Konflikte, Wandlungen aufweist, mit Sonne und ohne Sonne, mit Regen und ohne Regen, unter Protest und ohne Protest, fern des Vulkans oder direkt unterm Vulkan.
© WS 2019