Mit 20.000 Phalangiten, 3.000 thessalischen Reitern, 2.000 Bogenschützen, 500 Schleuderern und 20 Kriegselefanten setzte Pyrrhos, Neffe und Nachahmer des großen Alexander, König der Molosser und Hegemon der Epiroten, im Frühjahr 280 v. Chr. von Albanien nach Italien über und schlug die Römer bei Heraclea. Sodann marschierte er durch Kampanien und das Latium bis vor Rom, dessen Führer trotz seiner Übermacht Verhandlungen ausschlugen. Den Winter auf 279 verbrachte er in Kampanien und schlug die Römer bei Asculum ein zweites Mal. Doch kostete ihn der Sieg derart hohe Verluste, daß ihn, so die Legende, dunkle Vorahnungen befielen. „Sind wir noch einmal siegreich gegen die Römer, sind wir verloren!“ soll Pyrrhus gesagt haben. Der Erfolg war so teuer erkauft, daß er sich ins Verhängnis siegte und den Krieg nach Westen zuletzt aufgeben mußte.
Die Konstellation sollte sich historisch mehrfach wiederholen. Der russische Vormarsch in der Ukraine könnte u.U. ähnlich enden. Die eroberten Städte sind zerstört, die Industrieanlagen und Flugplätze Ruinen, die Verluste in den eigenen Reihen nicht unerheblich, das internationale Ansehen ist dahin und die eigene Wirtschaft mangels Zugang zu den Finanzmärkten am Rande der Pleite. Die Ukraine kann gegen die russische Invasion nicht gewinnen, aber sie kann den Invasoren eines Pyrrhussieg bereiten, sofern sie vom Westen die erforderliche Hilfe erlangt. Gewiß ist der Nachschub aus Rußland ungleich größer als aus dem unbedeutenden Epirus und Putin verfügt nicht über die weisen Ahnungen eines Pyrrhos, aber Kiew liegt keineswegs so isoliert wie damals der Stadtstaat Rom.
© WS 2015