Wolfgang Sofsky
US-Wahl: Elitewechsel – Personalwechsel
Elitewechsel in demokratischen Herrschaftssystemen bringen es mit sich, daß alte Gesichter verschwinden und neue, teils sogar unbekannte auftauchen und die Ämter übernehmen, die von Vertretern des alten Regimes nur zu gerne als angestammtes Eigentum angesehen werden. Entsprechend fällt die Rhetorik beider Seiten aus. Die Verlierer, verärgert über den Verlust von Macht und Pfründen, bezweifeln Fähigkeit, Charakter, Gesinnung und Moral ihrer Nachfolger. Jene sind manchmal noch so höflich, ihren Vorgängern für die geleistete Vorarbeit zu danken, die sie nun – das liegt in der Natur von Elitewechseln – verändern oder sogar annullieren werden. In Wahrheit halten Nachfolger viele ihrer Vorgänger für ebenso gesinnungslose Flaschen wie die Vorgänger ihre Nachfolger. Gemeinhin dienen Elitewechsel dazu, alte Schurken loszuwerden. Doch die alten Schurken sind felsenfest davon überzeugt, daß die Neuen die wahren Schurken seien.
Nicht wenige Kommentatoren dieses Elitewechsels reden fast so wie die Verlierer der Wahl. Journalisten werden zu Parteigängern des alten Regimes. Anstatt sich als Reporter der Wirklichkeit an die Tatsachen zu halten, übernehmen sie eine führende Rolle in der Produktion von Gerüchten, Vorwürfen, Attributionen, Verdächtigungen, Verunglimpfungen, Diskreditierungen. Diese Tätigkeit hat mit unabhängiger Berichterstattung natürlich nichts zu tun. Es ist mediale Parteipolitik. Dies führt dazu, daß der Elitewechsel in den Regierungs- und Verwaltungsbezirken sich bis in die mediale Begleitung fortsetzt. Reporter, die dem alten Regime zu Diensten waren, verlieren den privilegierten Zugang zum Machtzentrum und beschweren sich darüber, indes die Rivalen nun ihre Plätze einzunehmen beginnen.
Die neue US-Regierung hat, so heißt es, ungefähr 4000 Posten neu zu besetzen. Bisher sind einige Namen bekannt, andere sind im Gespräch. Von früheren Regierungswechseln weicht dieser Personalwechsel etwas ab. Die „Bewegung“ der Wahlsieger stellte sich verbal gegen das etablierte Parteiensystem insgesamt, auch gegen das republikanische Establishment. Sie bezieht ihre gesellschaftliche Zustimmung nicht zuletzt durch die Opposition gegen alle Amtsinhaber in der Hauptstadt. So ist für den neuen Präsidenten das erste Rekrutierungsreservoir nicht irgendein Schattenkabinett alteingesessener Republikaner, sondern die Gefolgschaft seiner Anhänger. Auserkoren für neue Jobs werden zuerst Gesichter, die sich in der Kampagne bewährt haben, weil sie dem künftigen Sieger entweder frühzeitig gefolgt sind oder ihm die Treue gehalten haben, als seine Lage zwischenzeitlich aussichtlos erschien. Vertrauen, Loyalität und Dankbarkeit sind bei der Auswahl der ersten Gesichter wichtiger als Amts- oder Sachkenntnis. Dabei speist sich das Vertrauen auch durch gemeinsame Überzeugungen oder Meinungen.
Natürlich wird es dabei nicht bleiben. Die neue Elite, verhaßt bei den etablierten Amtsträgern, Netzwerkern und Medienleuten, steht unter dem Zwang, sich im alten, weiter fortbestehenden System der Ämter vernetzen zu müssen. Sie muß die Unterstützung der wichtigsten Parteigruppen einwerben und die Machtressourcen des Establishments nutzen. So werden in der neuen Regierung auch Personen aus der ersten und zweiten Reihe der Republikaner auftauchen. Mit Außenseitern allein ist keine neue Regierung zu bilden. Die Demokraten und ihre Mediengefolgschaft indes sind von diesem Machtwechsel ausgeschlossen. Sie werden erbost sein und mangels Macht auf Moral setzen. Wer immer der neuen Regierung angehören wird, er wird ein unkorrektes Subjekt sein. Neutrale Analytiker können an diesem Vorgang studieren, wie Elitewechsel funktionieren, wenn die neue Elite von Außenseitern gestellt wird, und wie sich die etablierte politische Opposition und ihre Anhänger als Moralgericht zu gerieren sucht.
© W.Sofsky 2016