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Walter Serner
„Weltanschauungen sind Vokabelmischungen.“
(Letzte Lockerung, 1920)
07 Mittwoch Nov 2018
Posted Actualia, Philosophica
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Walter Serner
„Weltanschauungen sind Vokabelmischungen.“
(Letzte Lockerung, 1920)
07 Sonntag Feb 2016
Posted Ästhetica, Mythologica
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Wolfgang Sofsky
Schießen Sie auf den Dadaisten!
„Polizeiliche Auflösung des dadaistischen Weltkongresses. Schüsse als Argumente.
GENF, im Januar. Der erste Weltkongreß der Dadaisten, der bekanntlich seit Anfang Dezember in der Grand salle des Eaux Vives in Genf tagte, fand kürzlich ein jähes Ende: er wurde polizeilich aufgelöst und wird zweifellos mehreren Teilnehmern ein gerichtliches Nachspiel eintragen. Und zwar mit Recht. Denn der Scherz (oder die Satire oder der Schabernack oder die Verrücktheit) war wirklich etwas zu weit getrieben worden. Es kam nämlich zwischen Tristan Tzara, dem Gründer des Dadaismus, und dem bekannten dadaistischen Philosophen Serner, dem Vorsitzenden des Kongresses, zu einem heftigen Wortwechsel, in dessen Verlauf Serner plötzlich einen Browning zog und vier blinde Schüsse auf Tzara abgab, der soviel Geistesgegenwart besaß, sofort vom Stuhl zu sinken. Die Folge war jedoch, daß die zahlreich besetzte Galerie, welche nicht daran zweifelte, daß scharf geschossen worden war, eine Panik ergriff, die nur durch das rasche und umsichtige Eingreifen einiger kluger Köpfe noch rechtzeitig eingedämmt werden konnte. Polizeiorgane, die unmittelbar darauf erschienen, räumten den Saal und brachten Serner und Tzara auf das in der Nähe befindliche Kommissariat, von wo sie, nach kurzem Verhör wieder freigelassen, von den auf der Straße wartenden Dadaisten im Triumph auf den Schultern bis zu ihrem Hotel getragen wurden. Tags darauf erschien zur allgemeinen Heiterkeit des Publikums in der »Tribune de Genve« ein geharnischter Artikel (freilich als bezahltes Inserat), unterzeichnet von den Dadaisten Francis Picabia, Paul Eluard, André Breton (Frankreich), Clément Pansaers (Belgien), Will Binyon (England) etc., in dem der Öffentlichkeit in einem sehr skurrilen Französisch mitgeteilt wurde, daß der Kongreß in geheimer Sitzung die Resolution gefaßt habe, die Verwendung von blinden Schüssen in dadaistischen Diskussionen sei nicht nur erlaubt, sondern sogar, weil erfrischend, erwünscht, allerdings nur unter der Bedingung, daß der Schießende sofort eine völlig neue dritte Meinung annehme. Man darf wahrlich gespannt sein, welcher Meinung die Genfer Gerichte sein werden. K. F.“ (Berliner Börsen-Courier, Nr.9, 7. 1. 1920.)
Der Vorfall auf dem Kongreß, der lediglich im Hirn des Vorsitzenden Serner, womöglich noch dessen Freund Christian Schad, bei dem Serner seinerzeit in Genf untergekommen war, existierte, hatte tatsächlich ein juristisches Nachspiel im Züricher Tages-Anzeiger, in dem am 4.2.1920 folgender Bericht zu lesen war, der, soweit überhaupt bekannt werden konnte, gleichfalls Hirn und Feder von Walter Serner entsprungen sein soll, dem begabten Promotor und Propagandisten, dem radikalsten Abwerter aller Werte, nebenbei auch einem Verfasser gezielter Falschmeldungen, mit denen sich im Kultur-, Polit- und Medienbetrieb allerlei Verwirrungen erzeugen läßt:
„Das Urteil im Genfer Dadaisten-Prozeß
Bei der am 29. Januar stattgefundenen Gerichtsverhandlung wurde der bekannte Dadaistenführer Dr. Serner, der, wie erinnerlich, gelegentlich des Dadaistischen Weltkongresses durch Abgabe blinder Schüsse eine Panik hervorgerufen hatte, zu einer Geldstrafe von 3000 Fr. verurteilt, im Nicht-zahlungsfalle zu drei Monaten Gefängnis. Nach der Urteilsverkündung hielt Dr. Serner eine kurze Ansprache, in der er u. a. äußerte, daß er, obwohl zu jeder besseren Biographie etwas Gefängnis gehöre, leider gezwungen sei, die Geldstrafe zu erlegen, daß er aber diesem Umstand gleichwohl dankbar sei, da eine längere Einzelhaft der Kontemplation und ähnlichen Ungezogenheiten zu sehr Vorschub leiste. Unter wilden Beifallskundgebungen der anwesenden Dadaisten und unter allgemeiner Heiterkeit des Publikums leerte sich der Saal. K. F.“ (Tages-Anzeiger, 4.2. 1920.)
© W.Sofsky