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Wolfgang Sofsky

Das Zeitalter des Barock

Lange Zeit hatte der Barock mit seiner Spätphase des Rokoko in Deutschland keinen guten Ruf. Der Klassizismus von Winckelmann, Schiller und Goethe verachtete den Barock und seine Vorliebe für die römische Antike. Dem norddeutschen Protestantismus und flämischen Calvinismus mit ihrer Ideologie der innerweltlichen Kargheit ohne Bildnisse war der Barock nichts als Ausschweifung, Exzeß, Schwulst, Kitsch. Ihnen galt der Barock einzig als Propagandastil der katholischen Gegenreformation. Das hielt geschmacksversierte Fürsten jedoch nicht davon ab, einen barocken Hof zu betreiben und entsprechende Bauwerke errichten zu lassen (Frauenkirche, Zwinger, Sanssouci etc.).

Obwohl der Geburtsort im päpstlichen Rom lag und die neuen Orden und Kardinäle den Neubau barocker Kirchen betrieben, ist weder der Bau- und Lebensstil des Barock konfessionell beschränkt noch ist er allein auf den Katholizismus fixiert. Gewiß lagen die ersten Zentren in Rom, Turin, Madrid, Wien und Prag (nach der Schlacht am Weißen Berg), doch die Herrschaftsarchitektur der Schlösser und Stadtpaläste ist eine profane Tatsache, die Themen der Bilder reichen weit über religiöse Themen hinaus, und im Zeitalter des Barock entstehen nicht nur Akademien, moderne Astronomie, Mathematik und andere Wissenschaften, sondern auch Formen der Freigeisterei und der frühen Aufklärung. Nicht nur Bruno, Galilei, Isaac Newton, Descartes, Pascal, Spinoza, Hobbes, Locke, Hume oder Leibniz lebten in dieser Zeit, sondern auch Cervantes, Moliere, Racine, Milton, Donne, Swift, Defoe, Hogarth, Händel, Bach, Vivaldi, Corelli, die französischen Moralisten und Enzyklopädisten. Ideologisch ist das Barockzeitalter eine Epoche verschärfter Konfessionalisierung, aber die Epoche kennt auch zahllose intellektuelle Varianten, Abweichungen, Inventionen.   

Der Barock war ein internationaler Stil. Obwohl es regionale und „nationale“ Zeitverschiebungen gab, finden sich z.B. viele barocke Bauwerke nicht nur in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Bayern oder Österreich, sondern auch in Lateinamerika, England, den Niederlanden, Dänemark, Preußen, Sachsen, Polen, der Ukraine, Rußland, Sibirien. Infolge der Kolonialisierung verbreitete sich der Baustil bis nach Tomsk, Sankt Petersburg, Charkiw, Stockholm, London, Havanna, Lima, Bogotá.

Politisch ist die Epoche geprägt von der Zentralisierung der Macht in einer Art „absolutistischer“ Herrschaft. Gesellschaftlich herrscht weiterhin eine Hierarchie der Stände, in der nicht die ökonomische Stellung den Ausschlag gibt, sondern das Prestige. Kulturell dominant ist die höfische Gesellschaft sowie die Politik der Konfessionen mit der Durchsetzung verbindlicher Formen der Frömmigkeit und des Glaubens.