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Wolfgang Sofsky
Taugenichts

„Taugenichts“ ist ein etwas aus der Mode gekommenes Schimpfwort. Obwohl die Zahl der Nichtsnutze und –innen nach jüngsten Erhebungen keineswegs abgenommen hat, scheint es unstatthaft zu sein, von jemandem zu sagen, er tauge nichts, sei zu nichts nütze und lebe auf Kosten von anderen. Man prüfe einmal diverse soziale Kollektive nach der Zahl der dort versammelten Taugenichtse und man wird sofort fündig werden. Wieviele Tunichtgute finden sich in Schulklassen, Sprachkursen  oder  Uniseminaren, unter Lehrern oder Professoren, in Verwaltungen, Büros, Werkshallen, in Aufsichtsräten, Ministerien, Regierungen, Redaktionsstuben, in Parteien und Verbänden und Vereinen, in Kirchen, Synagogen, Moscheen, unter Künstlern und deren Kritikern? Wo es bei einer Tätigkeit nicht so genau darauf ankommt, ist der Nichtsnutz nicht fern. Wo man von anderer Leute Arbeit und Ideen leben kann, z.B. von den Steuern der Bürger, den Prämien der Zahler, der Gutgläubigkeit der Kunden, Klienten, Untertanen, den Erzeugnissen der Künste, da häufen sich die  Gelegenheiten, ein Dasein als Taugenichts zu fristen. Der Tunichtgut lebt aus zweiter Hand. Er neigt zu gedankenlosem Gerede, großspuriger Geste und freigebiger Haltung, weil er verteilt, was ihm selbst nicht gehört.  Seltener sind die unauffälligen Taugenichtse, die sich zurückhalten, weil sie wissen, daß sie zu nichts taugen. In der Regel sind Taugenichtse indes selten so klug, daß sie um ihren Defekt wüßten. Die allermeisten sind zutiefst von sich überzeugt. Solange ihnen kein Widerspruch begegnet, können sie weiter an sich glauben. Deswegen finden sich auch in den sozialen Medien allerhand Taugenichtse, die dies und jenes glauben kommentieren zu müssen, ohne daß ihr Geschwätz als solches bezeichnet wird. Unter Leserbriefschreibern, Kommentatoren jeglicher Art, Zweit-, Dritt- und Viertverwertern, Nachbetern und Nachsagern, Konformisten, Mitläufern, Claqueuren erkennt man zahllose Taugenichtse, ja, es stellt sich die Frage, ob „Demokratien“, wo Figuren in höhere Posten aufsteigen können, die nicht den geringsten eigenen Gedanken aufzuweisen vermögen, nicht ein Nährboden für die Verbreitung von Taugenichtsen sind. Früher galten Könige als Kandidaten für Nichtsnutze, heute findet sich unter Präsidenten, Kanzlern und Ministern so mancher Tunichtgut. Emporgespült von sozialen Bewegungen, parteilichen Tendenzen, regionalem Proporz, sozialen Trends oder politischen Moden geraten sie in Ämter, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben. Manche sagen, für diese Ämter seien Erfahrung und Kenntnisse auch gar keine notwendige Bedingung. So stellt sich die Frage, ob diese Ämter nicht selbst ganz und gar überflüssig sind, institutionelle Nichtsnutzpositionen gewissermaßen, gut bezahlt, der Aufmerksamkeit sicher, zumal jener von anderen Taugenichtsen, auszufüllen mit mäßigem Fleiß und der Attitüde eigener Bedeutung. Die Untertanen, die schon immer geahnt haben, daß Eliten, die sich selbst für solche halten, meist Ansammlungen von Tunichtguten sind, fragen sich freilich, wie sie all diese Strolche, Galgenvögel, Flachköpfe, Taugenichtsinnen loswerden. Einen Hinweis gilt die Sprache: Ein Synonym für diese Sorte von Personen ist:  der „Galgenstrick“.

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