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Wolfgang Sofsky
Machiavelli: Über Versprechen und Verträge

Auf die Frage, ob und wie Fürsten ihr Wort halten sollen, empfiehlt Niccolò Machiavelli im 18. Kapitel des „Principe“, im Politischen müsse man zwei Kampfesweisen beherrschen, die Gesetze und die Gewalt. Wer sich im schlingenreichen Revier des Menschentums bewege, der tue gut daran, neben der Muskelkraft des Löwen auch die Listen des Fuches zu beherrschen, denn der Löwe sei nicht sicher vor den Fallstricken und der Fuchs nicht vor den Angriffen der Wölfe.

„Es kann und darf ein kluger Fürst sein Wort nicht halten, wenn es für ihn von Nachteil ist und wenn die Gründe wegfallen, die ihn zu seinem Versprechen bestimmt haben. Wenn alle Menschen Engel wären, wäre dieser Vorschlag nicht gut; aber sie sind es leider nicht und würden dir nicht Wort halten; daher brauchst du es ihnen auch nicht zu halten. Es fehlen einem Fürsten niemals gute Gründe, seinen Wortbruch zu bemänteln. Man könne zahllose Beispiele der jüngsten Zeit dafür anführen und zeigen, wie viele Verträge, wie viele Versprechungen durch die Untreue der Fürsten eitel und vergeblich geworden sind; wer sich besten auf die Fuchsnatur verstanden hat, ist am besten gefahren Aber man muß dieses Wesen gut beschönigen und im Heucheln und Verstellen Meister sein: Die Menschen sind so einfältig und gehorchen so den Bedürfnissen des Augenblicks, daß der Betrüger immer solche findet, die sich betrügen lassen.“

Der Leser dieser Passagen muß sich von der arglosen Vorstellung freimachen, die Empfehlung gelte lediglich für das Regime eines Fürsten. Auch in der freien Republik, da Parteien, Partner, Gegner und Feinde aufeinandertreffen, ist es ein Gebot der Klugheit, mit hinterlistigen Füchse zu rechnen und selbst über die Methoden der Heimtücke zu verfügen. Nur Schafe glauben, es gebe keine Füchse, geschweige denn Wölfe oder Löwen in der Nachbarschaft. Unter Schafen indes bedarf es kaum einer List. Sie sind so töricht und treuherzig in ihrem Schafsglauben, daß sie gar nicht bemerken, daß die Füchse und Wölfe längst unter ihnen weilen, angetan mit den Pelzen jener Schafe, die man in der Herde seit geraumer Zeit vermißt.

© W.Sofsky 2019